„Die Verkammerung des Pflegeberufs ist eine große Ehre“
Text: Dr. Markus Mai
Foto: Clemens Hess
Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz war vor drei Jahren die erste berufsständische Vertretung für Pflegende in Deutschland. Ziel der Organisation ist es, den Pflegeberuf zu einer selbstbewussten und international anerkannten Profession weiterzuentwickeln, auf die Politik im Sinne einer guten Patientenversorgung einzuwirken und Pflegende in allen pflegefachlichen und berufsrechtlichen Fragen zu unterstützen. Ein Plädoyer für die Pflegekammern in Deutschland.
Kammern sind Mitgliederorganisationen und unterstützen natürlich und selbst- verständlich ihre Mitglieder. Die Beratung spielt eine wichtige und häufig genutzte Rolle. So bietet die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz neben fachlicher auch berufsrechtliche und ethische Beratung an. Darüber hinaus steht sie ihren Mitgliedern bei akuten Problemen, z. B. prekären Versorgungssituationen, gern mit Rat und Tat zur Seite. Mit dem Kammermagazin stellt sie ihren Mitgliedern in zweimonatlichen Abständen aktuelle Fach-sowie kammerbezogene oder berufspolitische Informationen zur Verfügung. Darüber hinaus können sich die Mitglieder über Mehrwertangebote freuen: So hat die Kammer für alle registrierten Mitglieder eine Excedenten-Berufs- haftpflichtversicherung abgeschlossen mit der alle Risiken ab 5 Millionen Euro zusätzlich mit einer Summe von 5 Millionen Euro abgesichert sind. Daneben profitieren die Mitglieder auch von vergünstigten Eintrittskarten für Kongresse und vielem mehr.
Als berufliche Selbstverwaltungsorganisationen öffentlichen Rechts wohnt einer Kammer das Demokratieprinzip inne (Abb. 1 Kammerorganisation). Die Steuerung der wesentlichen Kammeraspekte erfolgt über die Vertreterversammlung, die aus den von den Mitgliedern gewählten 81 Vertretern besteht. Sie ist für die Verab- schiedung aller Satzungen und Ordnungen, den Gesetzen der Kammer, für die Verabschiedung des Haushalts und der Jahresrechnung und für die Besetzung wichtiger Gremien, wie Ausschüsse und Arbeitsgruppen, zuständig. Daneben wählt sie auch den ehrenamtlichen Vorstand der Kammer. Der Vorstand ist für die Führung der laufenden Kammeraufgaben verantwortlich und wird von der Geschäftsstelle durch hauptamtliche Mitarbeiter unterstützt. Für die Entscheidungen in den Gremien gilt das Mehrheitsprinzip.
Richtige Selbstverwaltung heißt, dass die jeweilige Organisation selbst
Hier gewährt das Heilberufsgesetz den Kammern in Rheinland-Pfalz einen großen Spielraum. Nur dadurch ist eine vollständige Autonomie gewährleistet, die die Kammern letztlich stark macht.
Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz behandelt prinzipiell alle fachlichen und alle professionsspezifischen Themenstellungen, wie die Standardisierung, die Fort- und Weiterbildung sowie die Berufsordnung. Auch ethische Themenstellungen und Qualitätsthemen des Berufsfelds Pflege sind diesem Strategiebereich zuzuordnen. Seit dem 1. Januar 2018 ist demzufolge auch das gesamte Weiterbildungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz auf die Landespflegekammer übergegangen. In der Folge musste die Kammer zunächst eine Weiterbildungsordnung erarbeiten und verabschieden. Diese sieht auch eine Modularisierung der künftigen Einzelweiterbildungen vor. Zu unterscheiden ist zwischen Basis-, Auf- bau- und Ergänzungsmodulen, die jeweils auf andere Weiterbildungen übertragbar sind und als Leistung an- erkannt werden können. Das verringert den Aufwand im Vergleich zu herkömmlichen Weiterbildungskonzepten.
In weiteren Schritten hat die Pflegekammer bereits Modulkonzepte für die Praxisanleitungsweiterbildung sowie die Weiterbildungen Intensivpflege und pädiatrische Intensivpflege erstellt. Andere Weiterbildungen sind in der Erarbeitung. Die Kammer lässt in diesem Rahmen auch die Weiterbildungsinstitute und deren -angebote zu und ist verantwortlich für die ordnungsgemäße Abnahme der Prüfungen. Die Weiterbildungsurkunden stellt sie ebenfalls aus.
Die Berufsordnung hat eine sehr engagierte Arbeitsgruppe – bestehend aus Pflegefachpersonen – in einer Vielzahl an Sitzungen erarbeitet. Sie ist das Fundament der professionellen Berufsausübung, sozusagen das Grundgesetz der beruflichen Pflege. Auf die Berufsordnung bauen die weiteren, zuvor schon genannten Aspekte auf (Abb. 2 Berufsordnung). Sie soll nach jetzigem Stand zum 1. Januar 2020 in Kraft treten und regelt eine Vielzahl beruflicher Themenstellungen. So gibt es Aussagen zu vorbehaltenen Tätigkeiten, zu Qualität, zum beruflichen Selbstverständnis oder zur Beratung von Pflegeempfängern bzw. deren Zugehörigen. Daneben trifft die Berufsordnung auch Aussagen zur Forschung im Berufsfeld Pflege.
Eine wesentliche Aufgabe der Kammer ist die politische Interessenvertretung und die Öffentlichkeitsarbeit. Die Öffentlichkeitsarbeit der Kammer hat als Zielgruppen die Mitglieder einerseits und die Gesellschaft andererseits. Letztlich geht es darum, zielgruppenorientiert zu informieren. Das bereits erwähnte Kammermagazin steht als Internetressource auch der interessierten Öffentlichkeit frei zur Verfügung. Daneben hält die Kammer einen Internetauftritt vor und ist auf mehreren sozialen Internetplattformen unterwegs.
Auch für die politische Interessenvertretung nutzt die Pflegekammer eine Vielzahl von Möglichkeiten: Neben regelhaften Gesprächen mit zahlreichen Politikern der kommunalen-, der Landes- und der Bundesebene steht die Kammer in kontinuierlichem Austausch mit den für die vielfältigen Fragestellungen zuständigen Ministerien. Dazu gehören allein im Land Rheinland-Pfalz drei Ministerien (Gesundheit, Bildung, Wissenschaft). Auf der Bundesebene findet sich nachvollziehbar eine noch größere Komplexität.
Weiterhin ist die Kammer in vielen Gremien eingebunden. Teilweise, wie im Krankenhausplanungsausschuss, sogar über eine gesetzliche Legitimation. Nur die Einbeziehung gewährleistet überhaupt, eigene Themen auf Augenhöhe mit anderen starken Interessengruppen nachhaltig positionieren zu können. Zur Abstimmung der politischen und fachlichen Kammerthemen hat die Pflegekammer im Jahr 2019 einen pflegepolitischen Beirat gebildet. In diesem sind im Sinne einer 360 Grad-Perspektive alle wichtigen Akteure wie Pflegeempfänger, Verbraucher, Arbeitgeber, Berufsverbände, Gewerkschaften eingebunden.
Kammern sind kein Selbstzweck. Ebenso die gesamte Profession. Letztlich stellen beide mit ihren professionellen Leistungen eine bestmögliche Versorgung der Gesellschaft sicher. Mit der Landespflegekammer steht damit nicht nur die Profession im Mittelpunkt, sondern auch das gesellschaftliche Wohlergehen. Deshalb setzt sich die Pflegekammer auch für die Versorgungsbelange der Gesellschaft ein, die sich zu einem großen Teil mit den beruflichen Belangen decken. Pflegefachkräfte, die ausreichend Ressourcen zur Verfügung haben, eine umfassende professionelle Versorgung der Pflegeempfänger zu gewährleisten, erreichen auch gute Ergebnisse. Das trägt zur beiderseitigen Zufriedenheit bei und macht das Arbeiten und das Berufsfeld attraktiv. Ein weiter Weg, der ohne die Kammern noch wesentlich weiter wäre.
Die Verkammerung des Pflegeberufs ist eine große Ehre. Nicht viele Berufsstände haben überhaupt das Recht, sich selbst zu verwalten und somit auch sich selbst zu gestalten. Hier übergibt die Gesellschaft den Berufsangehörigen des Pflegeberufs eine berufsständige Autonomie zur Regelung ihrer Angelegenheiten in dem Vertrauen, dass sie dazu fähig sind und auch diese im Sinne einer guten gesellschaftlichen Versorgungsperspektive wahrnehmen. Mit der Verkammerung erst wird der Beruf zum Berufsstand. Berufe, die nicht verkammert sind, haben diese vielseitigen und kraftvollen Möglichkeiten nicht. Sie können nicht selbst entscheiden welche Themenstellungen wann behandelt werden, bzw. nur bedingt Einfluss auf deren Ausgestaltung nehmen. Als Berufsstand müssen wir das Vertrauen der Gesellschaft und die nachhaltige Unterstützung gewinnen, um uns selbst als auch die Versorgungsqualität in der Gesellschaft deutlich weiterzuentwickeln.
oto: Getty Images / anyaberkut
„Die Pflege darf sich nicht weiter aufspalten“