Zukunftsthema verschlafen
Text: Dr. Stephan Balling
Foto: Werner Krüper
Pflege ist eine umfassende gesellschaftliche Aufgabe. Doch anstatt den Beruf zukunftsfest zu machen, wurden wichtige Weichenstellungen in dieser Legislaturperiode versäumt.
Wer soll‘s eigentlich machen? Die Wahlperiode geht zu Ende und nach vielen hektischen Gesetzen in Gesundheit und Pflege bleibt die Politik die Antwort auf die entscheidende Frage schuldig: Woher kommen die Leute? Woher sollen die Krankenhäuser die heiß begehrten Intensivpflegefachkräfte für ihre Neonatologien nehmen, die ihnen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Form von Personalvorgaben vorschreibt? Woher sollen die verantwortungsvollen Pflegefachkräfte in ausreichender Zahl für die Stationen kommen, die derzeit fehlen und deren mangelnde Anzahl zur Gefahr für die Patienten wird? Woher sollen junge Menschen kommen, die sich einen Beruf als Altenpfleger vorstellen können?
Die Antwort ist wohl ziemlich einfach: Sie kämen alle dorthin, wo sie gebraucht werden, wenn die Bedingungen stimmen würden. Das ist leider nicht der Fall. Zu niedrige – teils miese – Bezahlung und hoher Stresslevel in Folge von Personalunterbesetzung verderben vielen jungen Leuten die Freude am Pflegeberuf.
Das deutsche Gesundheitssystem gibt Jahr für Jahr mehr Geld aus, die Ausgaben wachsen deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung insgesamt, aber in der Pflege kommt davon nichts an.
Sicher, mehr Geld allein löst die Probleme nicht. Aber wer will, dass sich mehr (junge) Menschen für einen Beruf in der Pflege entscheiden oder ihren Beruf weiter ausüben, muss zunächst anständige Löhne zahlen.
Übrigens: Kämen die Bundesländer ihren Pflichten bei der Investitionsfinanzierung nach, flössen pro Jahr drei bis vier Milliarden Euro mehr in die Krankenhäuser. Geld, das die Kliniken nicht mehr aus den Fallpauschalen herauspressen müssten für die Finanzierung neuer und die Instandhaltung bestehender Gebäude und Apparate und das dann für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte und mehr Personal genutzt werden könnte. Die Anreize für eine Tätigkeit in der Pflege stiegen.
Doch Bund und Länder scheinen nicht mal mehr darüber zu sprechen, wie sich dieses Problem lösen lässt. Kaum besser die Lage in der Altenpflege: Die große Pflegereform bringt eine Entlastung für die Pflegebedürftigen. An den Arbeitsbedingungen in den Heimen wird sich jedoch nichts ändern.
Die Große Koalition hat sich mit dem Thema Fachkräftemangel in der Pflege in der zu Ende gehenden Legislaturperiode im Grunde nicht befasst. Das entscheidende Zukunftsthema blieb außen vor. Auch ein umfassendes Bildungskonzept, das die Qualifikation in der Pflege und den Wert dieser Ausbildung nach außen deutlich und transparent macht, gibt es bisher nicht.
Neben der generalistischen Ausbildung wäre dazu eine bundesweit einheitliche zweijährige Assistenzausbildung nötig sowie eine Hochschul-Ausbildung.
Gute Arbeitsbedingungen und wertschätzende Berufsbilder wären ein wesentlicher Schritt, damit eine deutlich höhere Zahl motivierter Personen einen Beruf in der Pflege anstrebt.

„Ein Umdenken ist erforderlich“