„Mit offenen Karten spielen“
Text: Thomas Meißner
Foto: Maika Ernicke
Je transparenter ein Pflegedienstanbieter agiert, desto besser steht er im Vergleich zu anderen Anbietern da. Das sagt Thomas Meißner, Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerats, angesichts der Berichte über Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege.
Es ist richtig und wichtig, gegen Pflegebetrug härter vorzugehen. Nicht zuletzt deshalb, um Pauschalverurteilungen gegen eine ganze Branche zu verhindern. Entscheidend dabei ist aber, dort anzusetzen und energisch zu prüfen, wo Missbrauch vorliegt – und das muss auch in der Öffentlichkeit differenziert dargestellt werden, um nicht die gesamte Szene in Misskredit zu bringen.
Pflegekassen, Sozialhilfeträger und Landeskriminalämter müssen dafür vernetzter zusammenarbeiten. Eine Sonderstaatsanwaltschaft mit pflegerischer Expertise wäre ratsam, ähnlich wie es in Berlin bereits umgesetzt wird, damit „schwarze Schafe“ schneller identifiziert und überführt werden können.
Letztlich muss aber auch die Dokumentation effizienter werden. Was wir hier dringend brauchen, ist die Automatisierung von Prozessen und die flächendeckende Nutzung von IT. Das sollte sowieso Voraussetzung für künftige Leistungsabrechnungen sein und in den Rahmenverträgen festgehalten werden.
Pflegedienstanbieter sollten sich in diesen Verträgen generell zu mehr Transparenz verpflichten. Auch Kostenträger und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung sollten mit Transparenz und IT-Einsatz sowie entsprechenden Schnittstellen nicht sparen. Jeder, der von vorneherein mit offenen Karten spielt, wird im Wettbewerb mit anderen Anbietern die Nase vorn haben.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte im Frühjahr 2016 sehr schnell gehandelt, als wiederholt massiver Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege bekannt wurde. Ein kurzfristiges Treffen auf Spitzenebene der wichtigsten handelnden Akteure verdeutlichte, wie wichtig auf der einen Seite das Thema ist, und wie differenziert es auf der anderen Seite betrachtet werden muss.
Damals wurde auch schnell klar: Wir brauchen nicht mehr Kontrollen und Bürokratie, wir brauchen effizientere Kontrollen und Möglichkeiten, im Einzelfall tiefer zu prüfen. So wurde verabredet, die Kontrollmöglichkeiten durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung auch auf Abrechnungsprüfung auszuweiten.
Dies ist inzwischen gesetzlich umgesetzt. Krankenkassen können dadurch künftig beispielsweise die Abrechnungen und Leistungsnachweise aller ambulanten Pflegedienste unter die Lupe nehmen – unabhängig davon, ob für die Patientenversorgung die Kranken- oder die Pflegekassen bezahlen.
Thomas Meißner ist seit 2013 Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerats und Vorstandsmitglied im ArbeiterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen e.V. (AVG). Er ist ausgebildeter Fachkrankenpfleger für Anästhesie sowie Intensivmedizin und leitet einen ambulanten Pflegedienst in Berlin mit rund 80 Mitarbeitern.