Vom Sofa aus studieren
Text: Dr. Christina Lauer
Foto: Getty Images / Kira-Yan
Wer nebenberuflich einen Bachelor- oder Master-Abschluss machen möchte, für den kann ein Fernstudium die ideale Lösung sein, um Studium und Beruf miteinander zu vereinbaren. Doch wer sich darüber informieren möchte, sieht sich mit vielen Fragen konfrontiert.
Studieren und gleichzeitig weiterarbeiten – für viele Pflegende, die sich erst spät für ein Studium entscheiden, oft die einzige Möglichkeit. Denn es gilt nicht nur das eigene Leben oder das der Familie zu finanzieren. In der Regel fallen auch über die Jahre hinweg mehrere tausend Euro Studiengebühren an, die von den meisten Studierenden selbst aufgebracht werden müssen. Hinzu kommt, dass nicht jeder in der Nähe einer Hochschule wohnt, die pflegerische Studiengänge anbietet.
So erging es auch Beate Ninow. Die Gesundheitsund Krankenpflegerin aus Zürich hat vor einem Jahr ihren Bachelor im Fach Pflegewissenschaften per Fernstudium absolviert. „Ich wollte studieren, aber gleichzeitig auch einigermaßen meinen Lebensstandard halten können“, so die 43-Jährige. „Deshalb habe ich mich für ein Fernstudium entschieden.“ Um ausreichend Zeit für das Studium zu haben, reduzierte sie ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent. „So war das Studium gut machbar.“
Viele Hochschulen bieten berufsbegleitende Studiengänge an, die auch absolviert werden können, wenn man nicht in der Nähe wohnt. Allerdings sind dann häufig die Präsenzphasen wesentlich längerals in einem Fernstudium. Bevor Sie sich also für eine Hochschule entscheiden, prüfen Sie genau, wie der Studiengang aufgebaut ist und ob er mit ihrem Privat- und Berufsleben zu vereinbaren ist.
Beate Ninow ist eine von vielen professionell Pflegenden, die sich zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Arbeitsleben für ein Studium entschieden hat. Diesem Trend folgen auch die Studienangebote: Mittlerweile bieten viele Hochschulen berufsbegleitende Studiengänge für die Pflege an: Pflegemanagement (Tab. 1), Pflegewissenschaften (Tab. 2) und Pflegepädagogik, um nur einige zu nennen. Hinzu kommt eine Vielzahl an pflegenahen Studiengängen, zum Beispiel aus dem Healthcare-Bereich.
Doch nicht alle Angebote sind tatsächliche Fernstudiengänge. Häufig werden die Begriffe Fernstudium und berufsbegleitendes Studium in einem Atemzug genannt. Allerdings handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Ansätze: Zwar kann ein Fernstudium berufsbegleitend sein, es kann aber auch in Vollzeit absolviert werden. Und ein berufsbegleitendes, also nebenberufliches Studium kann ein Fernstudium sein. Es gibt aber auch eine Reihe von Studiengängen, die als Präsenzstudium, zum Beispiel als Abend-, Wochenendoder Teilzeitstudium absolviert werden können.
Sie sind übrigens nicht dazu verpflichtet, Ihren Arbeitgeber zu informieren, dass Sie ein Fernstudium absolvieren. Sie müssen allerdings sicherstellen, dass Ihr Job durch die Doppelbelastung nicht vernachlässigt wird.
Der größte Vorteil eines Fernstudiums ist der, dass die Studierenden sowohl zeitlich als auch räumlich sehr flexibel sind. Ob abends auf dem Sofa oder mittags im Café um die Ecke: Überall und zu jeder Zeit können Studienbriefe gelesen, Online-Vorlesungen angeschaut oder Aufgaben bearbeitet werden. Die Zeit kann individuell eingeteilt und so an die individuelle Lebenssituation angepasst werden. Regelmäßige Vorlesungen oder Seminare mit anderen Studierenden gibt es nicht. Und die Zeiten, zu denen man tatsächlich an der Hochschule anwesend sein muss, beschränken sich meist auf wenige Tage im Semester.
Doch diese Freiheit kann Fluch und Segen zugleich sein. Denn Flexibilität erfordert auch ein hohes Maß an Selbstdisziplin: Wer sich nur mühsam selbst motivieren und strukturieren kann, nach Feierabend oder am Wochenende zu lernen, für den kann ein Fernstudium schnell zur Tortur werden. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Familie oder dem Partner zu: Nur wenn auch das private Umfeld hinter dem Vorhaben steht, können die nötigen Freiräume für das Lernen geschaffen werden. Besonders in Zeiten von Personalmangel sehen sich die Studierenden aus der Pflege aber noch mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert: der Dienstplanung und Unterstützung durch den Arbeitgeber. Denn nicht immer stehen die Vorgesetzten hinter dem Vorhaben.
So wie sich die Arbeitswelt mit der Digitalisierung verändert hat, haben sich auch die Fernstudiengänge an die neuen Möglichkeiten durch das Internet angepasst: Wurden früher gedruckte Studienbriefe per Post an die Studierenden verschickt, besteht bei vielen Hochschulen heute die Möglichkeit, multimediale Lerninhalte über einen Online-Campus abzurufen. Videovorlesungen, virtuelle Hörsäle und virtueller Austausch mit den Kommilitonen über Foren oder sogar per Chat sind so problemlos möglich. Und wer nicht auf gedruckte Unterlagen verzichten möchte, erhält häufig noch PDF-Dateien der Studienbriefe als Download.
In den meisten Studiengängen gibt es zusätzlich regelmäßige, verpflichtende Präsenzzeiten. Blended Learning wird diese Kombination aus Onlinephasen und Phasen mit Anwesenheitspflicht genannt. Zu den Präsenzphasen treffen sich die Studierenden ein- oder mehrmals pro Semester, um Prüfungen zu absolvieren und sich von Angesicht zu Angesicht mit den Kommilitonen oder Tutoren auszutauschen. Wie oft und wie lange diese Präsenzzeiten stattfinden, ist unterschiedlich: In einigen Studiengängen ist es ein verlängertes Wochenende, in anderen eine ganze Woche, einmal oder mehrmals pro Semester.
Was ist eine Hochschule?
Mit dem Begriff Hochschule werden alle Universitäten und Fachhochschulen zusammengefasst. Fachhochschulen bezeichnen sich heute oft als „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ (HAW) und tragen den Zusatz „University of Applied Sciences“. Wie Universitäten können Fachhochschulen staatlich oder privat sein. An staatlichen Hochschulen werden in der Regel keine oder nur geringe Studiengebühren erhoben. An privaten Hochschulen zahlen Studierende oft Studiengebühren von einigen tausend Euro im Jahr.
Was ist ein virtueller Hörsaal?
Ein virtueller Hörsaal ist ein interaktives Seminar oder eine Vorlesung. Über einen Link loggen sich die Studierenden von ihrem eigenen Rechner aus in den Hörsaal ein und folgen dort in Echtzeit dem Vortrag eines Dozierenden – wie in einer echten Vorlesung. Oft besteht für die Studierenden über einen Chat oder auch per Mikrofon die Möglichkeit, Fragen an die Dozierenden zu stellen, sodass ein echter Seminarcharakter entstehen kann.
Was sind ECTS-Punkte?
Die Abkürzung ECTS steht für „European Credit Transfer and Accumulation System“. Es handelt sich dabei um ein Punktesystem, das eine Vergleichbarkeit von Studienleistungen im europäischen Hochschulraum gewährleistet. Das ECTS entstand, als die bekannten Magister- und Diplomstudiengänge durch die Bachelor- und Master-Studiengänge abgelöst wurden – bekannt als Bologna-Prozess.
Die ECTS-Punkte werden auch als Credit-Points oder Credits bezeichnet. Im Jahr werden in der Regel 60 Credits erworben, das entspricht einem Arbeitsaufwand von etwa 1.500 bis 1.800 Stunden. Das wiederum sind rund 45 Wochen à 35–40 Lernstunden. Jeder Studiengang hat eine Gesamtzahl an Credits: ein Bachelorstudiengang in der Regel 180, ein Masterstudiengang 120. Diese Gesamtpunktzahl teilt sich auf die verschiedenen Module eines Studiums auf, wodurch die Studiengänge miteinander vergleichbar werden.
Was ist ein Online-Campus?
Ein Online-Campus ist die Anlaufstelle für Fernstudierende im Web. Er ist über einen Link von jedem Gerät mit Internetzugang aus erreichbar. Im Online-Campus erhält jeder Studierende einen eigenen Studienbereich, in dem Studienbriefe heruntergeladen, Videovorlesungen oder vertonte PowerPoint-Präsentationen angeschaut oder virtuelle Hörsäle gebucht werden können. Manchmal gibt es auch die Möglichkeit, sich mit anderen Studierenden über Foren oder Chats auszutauschen. Meist werden zu erledigende Aufgaben ebenfalls über den Online-Campus hochgeladen, sodass hier das gesamte Studium organisiert und dokumentiert wird.
Welche Voraussetzungen gelten für ein Fernstudium?
Bachelor-Fernstudiengänge mit direktem Pflegebezug (z. B. Pflegewissenschaften, Pflegemanagement) setzen in der Regel eine abgeschlossene 3-jährige Ausbildung zum Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger oder Altenpfleger voraus. Wer an einer Universität studieren möchte, sollte zudem das Abitur, also die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife, haben. Zulassungstests ermöglichen häufig auch Interessenten ohne Abitur, zum Studium zugelassen zu werden. Voraussetzungen für einen Masterstudiengang sind in der Regel ein abgeschlossenes Erststudium an einer staatlich anerkannten Hochschule und eine meist 2-jährige Berufserfahrung. Ob dieses Erststudium Bezug zum Masterstudiengang haben muss, hängt vom Studienangebot ab.
Ist ein Fernstudium das Richtige für Sie?
Wer einen akademischen Abschluss, zum Beispiel einen Bachelor oder Master in Pflegemanagement oder Pflegewissenschaften, erlangen möchte, der sollte bei privaten Hochschulen darauf achten, dass er durch den Wissenschaftsrat staatlich anerkannt ist. Denn nur dann ist sichergestellt, dass der Abschluss gleichwertig ist wie der einer staatlichen Hochschule. Ein weiteres Qualitätsmerkmal: die Akkreditierung der Hochschule durch eine autorisierte Agentur wie das ACQUIN, die AQA, die FIBAA oder die ZevA. Fernstudiengänge sollten außerdem durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) genehmigt sein, ein Qualitätsmerkmal ist diese Zulassung jedoch nicht.
Beate Ninow ist übrigens zur Wiederholungstäterin geworden: Das Bachelorstudium hat sie so begeistert, dass sie gleich noch einen Masterstudiengang dranhängt.
Zertifikate von hausinternen Fortbildungen oder von nichtakademischen Anbietern werden von den Hochschulen in der Regel nicht angerechnet. Deshalb muss die Qualität aber nicht schlecht sein.
Karte: GettyImages.com/ bgbluePflegekammer: Wo stehen die Bundesländer?