Für ein besseres Klima
Text: Brigitte Teigeler
Foto: Getty Images / Xurzon
Ärzte und Pflegende eint eines: Sie sind unzufrieden mit der Kommunikation untereinander. Abhilfe schaffen könnten gemeinsame Bildungsangebote und klare Kommunikationsregeln, ist sich die Forschung sicher.
Wenn die eine Seite sagt: „Du kommst nicht auf den Punkt“ und die andere „Du hörst nicht richtig zu“, klingt das schwer nach Beziehungsproblemen. Und diese scheinen nicht nur Ehepaare und Lebensgemeinschaften zu betreffen, sondern auch Berufsgruppen. Das gilt zumindest für Ärzte und Pflegende.
Der Picker Report 2014 ist eine der wenigen deutsche Studien, die die interprofessionelle Kommunikation in den Blick genommen hat. Er offenbart: 32 Prozent der Ärzte und 55 Prozent der Pflegefachkräfte sind unzufrieden mit der Kommunikation zwischen den Berufsgruppen. Befragt wurden immerhin rund 11.000 Pflegende und rund 5.000 Ärzte. Mehr als ein Viertel (27 %) der Pflegekräfte und über ein Drittel (37 %) der Ärzte erleben die Übergabe als ineffizient und unstrukturiert. Noch höher wird der Verbesserungsbedarf bei interprofessionellen Besprechungen eingeschätzt. Ein Drittel der Pflegekräfte (33 %) fühlt sich zudem nicht rechtzeitig über Aufnahmen, Entlassungen oder Verlegungen informiert.
Offen bleibt jedoch die Frage: Warum läuft es so schlecht mit der Kommunikation?
Eine mögliche Ursache könnte das unterschiedliche Kommunikationsverhalten sein. Denn Ärzte und Pflegende scheinen eine andere Sprache zu sprechen, wie eine internationale Studie nahe legt (Clark et al. 2014): Beide Berufe sind anders im Hinblick auf Kommunikationsstile ausgebildet und haben dadurch einen unterschiedlichen Sprachstil entwickelt. Pflegende haben gelernt, umfassend zu beschreiben. Sie sehen den Patienten ganzheitlich und beziehen dabei ihre emotionale Intelligenz, also ihre Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, ein. Ärzte hingegen haben gelernt, einen kognitiven Ansatz zu verfolgen. Sie sind objektiv, strukturiert, prägnant.
Mit diesen unterschiedlichen Kommunikationsstilen können Frustrationen einhergehen (Dixon et al. 2006). Die Generalkritik der Ärzte: Pflegende sind
schlecht organisiert, was Informationen betrifft. Sie stellen Inhalte in unlogischer Reihenfolge dar, binden überflüssige Informationen ein und kommen nur verzögert auf den Punkt. Die Pflegenden wiederum erleben die Ärzte als unaufmerksam. Sie haben das Gefühl, sie können mit ihnen nur eine Liste von Symptomen diskutieren anstatt klinische Probleme zu besprechen. Sie sind unsicher, wie viele Details sie berichten sollen, erleben ein hierarchisches Gefälle und fürchten, inkorrekte Angaben zu machen oder gedemütigt zu werden.
Diese Ängste verdeutlichen auch den zentralen Unterschied im beruflichen Selbstverständnis zwischen Pflege und Medizin. Historisch betrachtet waren
Pflegende in einer untergeordneten und eher dienenden Rolle tätig. Der Arzt hingegen war traditionell männlich, er war der Entscheider. Professions- und Geschlechterrollen wandeln sich zwar – heute liegt der Frauenanteil der Krankenhaus-Ärzte bei knapp 50 Prozent –, scheinen aber noch immer einen nachhaltigen Einfluss auf das Kommunikationsverhalten zu haben.
Was kann getan werden, um die Kommunikation zwischen Pflegenden und Ärzten zu fördern? Die Literatur geht davon aus: Beide Berufsgruppen müssen schon sehr früh zusammengebracht werden und gemeinsam lernen. Auch klare Kommunikationsregeln können dazu beitragen, dass eine Annäherung erfolgt.
Interprofessionelles Lernen: Gemeinsame Bildungsangebote können die Fähigkeit zur interprofessionellen Kommunikation signifikant verbessern, wie eine internationale Übersichtarbeit zeigt. Sie führen zu einer höheren Zufriedenheit mit der Teamarbeit und Änderungen im Verhalten (Foronda et al. 2016). Dabei wird davon ausgegangen, dass es effektiver ist, wenn Pflegende und Ärzte eine gemeinsame klinische Erfahrung teilen, zum Beispiel bei einer Simulationsübung, als wenn die Professionen nur „Seite bei Seite“ sitzen. Die Autoren empfehlen, dass gemeinsame Bildungsangebote möglichst schon in der Ausbildung beginnen, durchgängig im Curriculum verankert sein und im Krankenhaus fortgesetzt werden sollten. Kritisch angemerkt wird, dass zwar viele Hochschulen und Universitäten Bestrebungen zeigen, interprofessionelle Bildungsangebote zu etablieren, dass dies aber meist „bolusartig“ erfolge und sich nicht durchgängig durch das Curriculum ziehe.
Strukturelle Förderung von Teamarbeit: Ob Teamarbeit funktioniert, hängt auch davon ab, ob sie strukturell verankert ist: Gibt es feste Termine für Teambesprechungen? Wie konsequent erfolgt eine gemeinsame Visite? Flicek (2012) beschreibt es unter anderem als hilfreich, Arzt- und Schwesternzimmer nah beieinander zu legen, um den Austausch und damit die Chance für eine bessere Kommunikation zu erhöhen.
SBAR-Tool: Klare Regeln für die interprofessionelle Kommunikation können ein wichtiger Baustein sein, um die interprofessionelle Kommunikation zu strukturieren. Dazu wird vor allem die Einführung des SBARTools empfohlen (Flicek 2012). Hier wird zum Beispiel in Visiten oder bei Übergaben strukturiert nach den folgenden Aspekten kommuniziert: Situation (S), Background (B), Assessment (A), Recommendation (R). Das SBAR-Tool soll beiden Berufsgruppen ermöglichen, die notwendigen Informationen auf eine Art und Weise zu geben und zu erhalten, die die beiden unterschiedlichen Kommunikationsstile zufriedenstellt.
Führungskräfte- und Kommunikationstrainings: Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion und damit einen großen Einfluss auf die Kommunikation ihrer Mitarbeiter. Deshalb gilt eine Schulung der Leitungskräfte bezüglich ihrer kommunikativen Kompetenzen als besonders wichtig. Auch werden Kommunikationstrainings für alle Mitarbeiter empfohlen (Tewes 2015).
Eine gute und sichere Patientenversorgung ist ohne interprofessionelle Zusammenarbeit nicht denkbar.
Doch oftmals fehlen Strukturen, die sicherstellen, dass Pflegende und Ärzte sich regelmäßig austauschen und die Perspektive des jeweils anderen verstehen und akzeptieren lernen. Oft mangelt es auch an Zeit, um vorhandene Gelegenheiten, wie eine gemeinsame Visite, für diesen Austausch zu nutzen.
Eine strukturelle Verankerung der Teamarbeit und gemeinsames Lernen scheinen geeignet, um eine Kultur des Miteinanders in die Wege zu leiten. Eine solche Kultur erfordert Wertschätzung und Respekt gegenüber der anderen Berufsgruppe, aber auch die Einsicht, welchen Stellenwert eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit hat. So postuliert es auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO): „We know that interprofessional
collaboration is key to providing the best in patient care.“ (WHO 2010, S. 36). Der einzige Weg, um das in den Köpfen der Gesundheitsberufe zu verankern, ist laut WHO gemeinsames Lernen. Nur diese bereite angemessen darauf vor, eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit auch in der Praxis zu leben.
Clark, P.G., 2014. Narrative in interprofessional education and practice: implications for professional identity, providerepatient communication
and teamwork. J. Interprofessional Care 28 (1), 34e39
Dixon, J.F., Larison, K., Zabari, M., 2006. Skilled communication: making it real. AACN Adv. Crit. Care 17 (4), 376e382
Flicek, C. L. (2012): Communication: A Dynamic Between Nurses and Physicians. Medsurg Nursing Vol. 21; No. 6: 385–387
Foronda, C.; MacWilliams B.; McArthur, E. (2016): Interprofessional communication in healthcare: An integrative review. Nurse Education
in Practice 19 (2016): 36–40
Picker Report (2014): Qualitätsdiskussion in Deutschland: Gleichung mit zwei Unbekannten. Picker Institut Deutschland GmbH
Tewes, R. (2015): „Wie bitte?“ Kommunikation im Gesundheitswesen, 2. Auflage, Springer Verlag
World health Organization (2010): Health Professions Networks, Nursing & Midwifery, Human Resources for Health – Framework for Action on Interprofessional Education & Collaborative Practice
Patricia Haas
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