Die Zukunft ist interprofessionell
Text: Nadine Millich
Nur wenn die unterschiedlichen Berufe eng zusammenarbeiten, kann sich das Gesundheitssystem weiterentwickeln. Darauf setzt auch die Programmreihe Expertise in Leadership der B. Braun-Stiftung.
Es kommt Patienten zugute, wenn Pflegende, Ärzte und Verwaltungsangestellte eines Krankenhauses eng zusammenarbeiten – ohne Vorbehalte auf beiden Seiten. Doch das will gelernt sein. Gemeinsam sollen sie Strategien entwickeln und interdisziplinäre Abläufe zusammen einführen können. Gleichzeitig sollen sie durch Kommunikation überzeugen und ihre Mitarbeiter führen.
Das klappt noch nicht so gut, dass es nicht noch besser gehen könnte, meint der Geschäftsführer der B. Braun-Stiftung, Prof. Dr. Alexander Schachtrupp.
Mit der Seminarreihe Expertise in Leadership lässt die Stiftung ab diesem Jahr Pflegende, Ärzte und Mitarbeiter aus der Verwaltung zusammen trainieren. „Wie Gruppen gemeinsam zu einer Entscheidung finden, wird in der Praxis nicht geübt, im Alltag kommt es aber genau darauf an“, sagt Schachtrupp. Schon im vergangenen Jahr konnten Pflegende und Ärzte lernen, wie das gelingen kann. In diesem Jahr geht die Stiftung noch einen Schritt weiter und holt auch die Verwaltungsangestellten mit ins Boot. Die Administration müsse näher an den klinischen Alltag rücken, um ein Gespür für die Abläufe und Herausforderungen dort zu bekommen. Erst alle drei Säulen zusammen – Medizin, Pflege, Verwaltung – machten ein Krankenhaus aus.
„Warum sollten wir die Berufsgruppen also getrennt voneinander weiterbilden, wenn sie doch in ihrem Arbeitsalltag zusammen agieren müssen? Wir müssen das Krankenhaus als Unternehmen begreifen, sonst macht Führung wenig Sinn“, betont der gelernte Humanmediziner. Mit dieser Ansicht rennt man nicht unbedingt überall gleich offene Türen ein, weiß er. Doch anfängliche Vorbehalte sowohl auf pflegerischer als auch auf ärztlicher Seite lösten sich schnell auf. „Bislang hatte man einfach nicht daran gedacht, ein Seminar zu konzipieren, das jeweils zu einem Drittel von Pflegenden, Ärzten und Administratoren besucht wird. Wir haben das nun im ersten Schritt mit Ärzten und Pflegenden ausprobiert und sind positiv überrascht von der Resonanz, die wir erhalten.“
Wenn auch Pflegende hier etwas kooperativer seien als Ärzte, muss Schachtrupp zugeben. Nichtsdestotrotz werde mit der dritten Gruppe an Bord in diesem Jahr der Nutzen für die Teilnehmer noch einmal steigen, ist sich der Geschäftsführer sicher. Für ihn lassen sich die Aufgaben der Zukunft nur durch interprofessionelle Zusammenarbeit der drei Berufsgruppen Pflege, Arzt und Verwaltung bewältigen: „Ich glaube, dass ist der einzig vernünftige Weg.“
Die bisherigen Teilnehmer bestätigen den Mehrwert, der sich ihnen aus dem interprofessionellen Training bietet. „Klischeedenken und berufseigene Sichtweisen gehören schnell der Vergangenheit an und weichen einem wertschätzenden sowie respektvollen Umgang miteinander“, beschreibt etwa Corinna Germ, Pflegedienstleiterin an der bayerischen Kreisklinik Wolfratshausen. Sie hat das Seminar vor und nach der interprofessionellen Ausrichtung kennengelernt, weil Sie wegen einer Problemschwangerschaft pausieren musste. Das Seminar 2015 ausschließlich mit Pflegenden sei zwar auch interessant gewesen, im Vergleich jedoch eintönig geblieben, da die Berufsgruppe unter sich war. „Der fachliche Austausch war bereichernd. Wirklich andere Denkweisen und Lösungsansätze lernt man aber erst kennen, wenn die Seminarteilnehmer aus unterschiedlichen beruflichen Bereichen kommen“, beschreibt die 37-Jährige.
Fast wie nebenbei seien bei ihrer Teilnahme in 2017 gemeinsam mit Ärzten Kommunikationsbarrieren abgebaut worden. „Von- und miteinander lernen war das Motto. Der praktische Austausch in einem ungezwungenen Setting war unbezahlbar.“ Interprofessionelles Lernen könne allerdings nur gelingen, wenn die beteiligten unterschiedlichen Berufsgruppen die Diskussionen offen, loyal und wertschätzend führten, damit ein gemeinsames Ziel verfolgt werden könne.
Oft wisse die Gegenseite nicht, was die andere Berufsgruppe gerade bewege, beschreibt Stationsleiter Dominic Weufen seine Erfahrungen. Er leitet zwei
Stationen am Krankenhaus Rummelsberg in Bayern und ist dankbar für die Gelegenheit, sich während des Seminars mit Ärzten austauschen zu können. „Die Zeit dafür fehlt im Job leider.“ Außerdem habe er gelernt, dass er seine Mitarbeiter selbstständiger werden lassen muss. „In der Patientenversorgung müssen Pflegende und Ärzte miteinander, aber auch in vielen Bereichen selbstständig Entscheidungen treffen. Das müssen Pflegende noch lernen.
Diesen Lernprozess zu coachen und zu begleiten ist meine Aufgabe als Stationsleitung. Das Seminar hat mich gut auf diese Herausforderung vorbereitet.“
Auch Chefarzt PD Dr. Gerhard Jan Jungehülsing von der Klinik für Neurologie des Jüdischen Krankenhaus Berlin ist dankbar für den Perspektivwechsel,
den das interprofessionelle Seminar bietet. „Der veränderte Blickwinkel war nötig, um zementierte Grenzen zu überwinden. Am Ende des Seminars konnte man nicht mehr sagen, wer zu welcher Berufsgruppe gehört, weil es uns allen nur noch um die Inhalte ging.“ Lerne man, die andere Sichtweise zu verstehen, erleichtere das auch die eigene Argumentation.
„Früher war ich oft sehr dominant und bin manchmal wie eine Dampfwalze über andere Meinungen hinweggegangen“, verrät er. „Doch so ein Vorgehen bringt niemanden weiter, sondern produziert nur Wiederstände. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden und das kann man nur miteinander und zum Beispiel in gemeinsamen Trainings lernen“, betont Jungehülsing und er ist sich sicher: „Wir können als Team, Abteilung und Krankenhaus nur gut und in allen Bereichen erfolgreich sein, wenn wir gemeinsame Ziele haben, miteinander kooperieren und uns vernetzen. Wenn wir das nicht lernen, sind wir verloren.
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