Wertvoller Wohlfühl-Faktor
Text: Brigitte Teigeler
Foto: www.hospitalverbund.de
Wer Mitarbeiter an sein Unternehmen binden möchte, sollte auf ein gutes Klima und individuelle Arbeitszeitmodelle setzen. Das rechnet sich auch für Kliniken.
Im „Fortune“-Ranking der „100 Best Companies to work for“ belegt Google schon seit Jahren Platz Nummer eins. Kein Wunder. In der Hamburger Filiale des Konzerns gibt es Gratis-Essen, ein eigenes Fitnessstudio und bunte Büroräume, die wie ein Schwimmbad, Kasino oder Golfplatz eingerichtet sind.
Im Hauptsitz in Kalifornien gibt es neben Fitnessangeboten sogar ein Spielzimmer, Basketballplätze und eine Bowling-Bahn. Und wer möchte, kann am Arbeitsplatz bereits das erledigen, was sonst in die Freizeit fällt: Es gibt einen Wasch-, Friseur- sowie Massagesalon, und auch der Arzt kann vor Ort besucht werden.
Die Strategie, mit besonders attraktiven Arbeitsbedingungen zu punkten, verfolgen immer mehr Unternehmen. Dabei gehen viele Angebote über das rein Berufliche hinaus. Caring Companies nennen sich solche Unternehmen, die gezielt auf Mitarbeiterbindung setzen. „Bei diesen Firmen werden Mitarbeiter nicht über das Gehalt, sondern über eine individuelle Betreuung kontinuierlich an das Unternehmen gebunden“, erläutert Anja Lüthy, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Brandenburg. „Sie unterstützen bei der Wohnungsbeschaffung, besorgen einen Kindergartenplatz, buchen den Familienurlaub und helfen bei der Freizeitgestaltung.“
Die Mitarbeiter sollen sich unter dieser Betreuung so wohlfühlen, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Möglichst variable Arbeitszeitmodelle spielen dabei eine entscheidende Rolle.
„89 Prozent der Jungen wollen schon heute flexible Arbeitszeiten und lieber 35 als 45 Stunden in der Woche arbeiten“, so Lüthy. „Männern und Frauen der Generation X geht es darum, mit Mitte 30 den Job mit der Familie ausgewogen zu kombinieren. Die Generation Y möchte mit Anfang Mitte 20 mehr Freizeit für ihre Hobbys.“
Hier sollten Arbeitgeber flexibel auf die individuellen Wünsche eingehen, empfiehlt die BWL-Professorin. Um die Mitarbeiter bestmöglich zu fördern, sei es sinnvoll, diese als interne Kunden zu sehen, meint Lüthy.
Der Vorgesetzte könne beispielsweise fragen: „Was kann ich für Sie tun, welche Bedingungen am Arbeitsplatz kann ich schaffen, damit Sie leistungsbereit und zufrieden sind?“ Was das sei, sei sehr individuell. „Für den einen Mitarbeiter ist es die Kinderbetreuung in den Schulferien, die ihn motiviert, der andere wünscht Sportangebote am Arbeitsplatz“, so Lüthy.
Grundsätzlich komme es auf die Haltung und das Verständnis der Vorgesetzten an. Arbeitgeber sollten grundsätzlich bereit sein, den Mitarbeitern Arbeitsplatzbedingungen zu ermöglichen, die ihnen wichtig sind. Und was sich der Einzelne wünscht, müssen Vorgesetzte konkret über Gespräche in Erfahrung bringen.
Als Caring Companies präsentieren sich heute nicht nur große global agierende Konzerne, auch Krankenhäuser haben sich auf den Weg gemacht. Der Katholische Hospitalverbund Hellweg beispielsweise hat als regionale „Caring Company“ in den letzten Jahren viele Maßnahmen umgesetzt, die die Mitarbeiter über das Berufliche hinaus unterstützen. Dazu gehören flexible Arbeitszeit, Job-Sharing auch für Führungspositionen sowie Unterstützung bei der Pflegebedürftigkeit eines Elternteils.
„Wir versuchen, mit dem direkten Vorgesetzten Wege zu finden, die dem Wunsch des Mitarbeiters entsprechen, ob während oder nach der Elternzeit oder auch in anderen Situationen“, sagt Jutta Kappel, Personalleiterin des Hospitalverbunds, der insgesamt rund 2500 Mitarbeiter beschäftigt. Hier sei vieles möglich, von Teilzeit bis hin zum Home-Office. Mütter mit kleinen Kindern können, wenn nicht anders möglich, auch erst um 7 oder 8 bis 8.30 Uhr mit der Arbeit beginnen. Um berufstätige Eltern auch in den Ferienzeiten zu unterstützen, bietet der Hospitalverbund zudem eine Ferienbetreuung für Mitarbeiter-Kinder an und organisiert eine Ferienfreizeit für ältere Kinder – im letzten Jahr ging es zum Beispiel auf die holländische Insel Ameland.
Auch der Weg zur Arbeit wird im Hospitalverbund unterstützt: Im Rahmen einer Bruttoentgeltumwandlung können Mitarbeiter hochwertige Fahrräder, Pedelecs oder E-Bikes leasen. Auch bietet das Krankenhaus den Mitarbeitern ein reduziertes Jobticket für den öffentlichen Nahverkehr an.
Eine weitere Besonderheit: Regelmäßig können ausgewählte Mitarbeiter mit der Geschäftsführung zu Mittag essen. „Diese Maßnahme wird als sehr wertschätzend erlebt und auch die Geschäftsführung profitiert von neuen Einblicken“, so die Personalleiterin Kappel.
Das Konzept der Caring Company kommt bei den Mitarbeitern gut an und schlägt sich auch in konkreten Zahlen nieder.
„Unsere Fluktuationsquote liegt bei fünf Prozent, unser Krankenstand bei vier Prozent“, berichtet Kappel. „Im bundesdeutschen Vergleich stehen wir damit sehr gut da: Hier liegt die Fluktuationsquote im Durchschnitt bei 14 Prozent, und der Krankenstand bei 4,7 Prozent.“
Etwa 600 Mitarbeiter arbeiten schon seit mehr als 16 Jahren in der Einrichtung, der Schnitt liege bei etwa elf Jahren. Zudem gehen jährlich zirka 4 500 Bewerbungen beim Hospitalverbund ein. Zudem hat es zahlreiche Preise für die Kliniken gegeben, die zum Verbundklinikum gehören: das Katharinen-Hospital Unna, das Marienkrankenhaus Soest und das Mariannen-Hospital Werl. Dazu gehören mehrfache Auszeichnungen als „Bester Arbeitgeber im Gesundheitswesen“ sowie Sonderpreise zur „Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, „Mitarbeiterengagement“ und „Personalentwicklung“.
Der Einsatz für eine gute Unternehmenskultur spiegelt sich auch in der Bilanz wider: Im letzten Jahr erreichte der Klinikverbund ein hervorragendes Ergebnis.
„Ich glaube, dass der Hospitalverbund Hellweg aufgrund seiner Attraktivität als Arbeitgeber in der Region um Dortmund keine Angst davor haben muss, bald keine Mitarbeiter mehr zu finden“, ist sich BWL-Professorin Anja Lüthy sicher. „Auch dann nicht, wenn in neun Jahren sechs Millionen Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen werden.“